Mitlechtern/Lörzenbach (kar). Es war der Aufreger des Fußballwochenendes, das Kreisoberligaderby zwischen der KSG Mitlechtern und dem SV Lörzenbach. 400 Zuschauer sorgten für eine große Bühne, und diese nutzten nicht nur beide Mannschaften für einen spektakulären Auftritt.

Nach 75 Minuten schien alles gelaufen im ersten Punktspiel der Nachbarn seit 18 Jahren. Tim Krauß hatte gerade mit seinem dritten Tor für das Lörzenbacher 3:0 gesorgt und schien den Traum des Tabellenletzten vom ersten Saisonsieg Wirklichkeit werden zu lassen. Kaum einer der über 400 Zuschauer gab noch einen Pfifferling auf die KSG, auch nicht, als Simon Eckert nach 86 Minuten einen Freistoß zum 1:3 versenkte. Was dann in den folgenden zehn Minuten geschah, wühlte den Gast auch einen Tag später noch auf. „Wir sind fassungslos, was in der Nachspielzeit passiert ist. Wir haben den Sieg geklaut bekommen“, ärgerte sich SVL-Vorsitzender Stefan Jünger: „Der Schiri hat alles kaputt gemacht.“

Wie soll der Referee aus dem Fußballkreis Dieburg, seit 2016 auf südhessischen Fußballplätzen unterwegs, das geschafft haben? Er pfiff zweimal Strafstoß für die KSG. Einmal sah er ein Foulspiel – Denis Dörsam war der Auslöser (90.) –, sechs Minuten später noch eines. Ein Foul habe er zwar nicht gesehen, soll der Unparteiische vor dem letzten Strafstoßpfiff gesagt haben, der Mitlechterner sei aber gefallen, zitierte Übeltäter Tim Krauß das Gespräch mit dem Spielleiter. Simon Eckert war‘s egal, er verwandelte beide Elfer zum 3:3-Endstand.

„Ich bin immer noch fassungslos“, sagt auch Mirco Tremper, Lörzenbachs Zweiter Vorsitzender, ob der vielen vor allem ab der 80. Minute gegen den SV getroffenen Entscheidungen: „Das Spiel hat ganz klar der Schiedsrichter entschieden.“ Die Spieler hätten in dem „super-fairen Derby“ gar nicht mehr gewusst, wie sie einen Zweikampf zu führen hätten, ohne zurückgepfiffen zu werden. Natürlich müsse man froh sein, dass es Leute gibt, die so etwas machen: „Aber ich weiß nicht, wie man ein Spiel so verpfeifen kann.“

Die Lörzenbacher Aufregung um den in letzter Sekunde entglittenen ersten Saisonsieg fand Achim Tremper, Spielausschussvorsitzender der KSG, nachvollziehbar: „Das ist mehr als bitter für die und mehr als glücklich für uns.“ Kann man die Strafstöße geben? Den ersten zu pfeifen fand Tremper „eher bedenklich“, beim zweiten sei Eisele von hinten gestoßen worden. Auch den Strafstoß, den Lörzenbach zum 2:0 verwandelte, „kann man geben“. Yannick Schwarz war zu Fall gekommen, Luca Knecht der Übeltäter. „Ein ganz klarer Umhau-Elfer war nicht dabei“, so Tremper, der dem Unparteiischen attestierte, „kleinlich“ gepfiffen zu haben. Schließlich sei die Partie alles andere als unfair gewesen.

Kein Wunder: Mitlechtern und Lörzenbach trennen von Ortsschild zu Ortsschild gerade mal eineinhalb Kilometer, viele Spieler kickten zusammen in der Jugend, es bestehen verwandtschaftliche Verbindungen und so gibt es wenig Grund zur Aggression. Wegen Foulspiels wurden am Sonntag lediglich drei der neun Gelben Karten gezückt. Dazu gab es noch Zeitstrafen für Denis Dörsam (56.) und Luca Franck (90./beide SV). Kurios: In den sieben Punktspielen zuvor hatten die Lörzenbacher, jahrelang Gewinner der Fairnesswertung, lediglich elf Gelbe Karten und keine Zeitstrafe erhalten.

Überhaupt hat der Unparteiische Lust am Kartenspiel – und führt darüber, öffentlich einsehbar, exakt Buch. In dieser Saison leitete er bislang 29 Partien, zeigte da 207 Mal Gelb, drei Mal Gelb-Rot und 20 Mal Rot. Ebenso beeindruckend sind die Zahlen von Beginn seiner Laufbahn bis Sommer 2022: 238 Spiele, 1103 Mal Gelb, 77 Mal Gelb-Rot, 84 Mal Rot. Vor diesem Hintergrund steht der Eintrag unter dem Stichwort „Was man über ihn sagt“ in den Sozialen Medien: „Ein konsequenter Schiedsrichter, der von der ersten bis zur letzten Minute zwar kleinlich, doch sehr gut seine Spiele leitet.“

In den gar nicht mal so kleinen Kreis der Sünder ist am Sonntag auch Lörzenbachs Johannes Schumacher aufgenommen worden. Er sei der schlechteste Schiri gewesen, den er je gesehen habe, soll er nach übereinstimmenden Aussagen zum Referee gesagt haben. Dieser bedankte sich für die Meinungsäußerung mit der Roten Karte.

Immerhin stellte sich der Unparteiische nach dem Abpfiff den ungehaltenen Lörzenbachern.
Er habe sich, so Mirco Tremper, entschuldigt mit den Worten: „Es tut mir leid.“